"...meine Lehrer sagen, wenn man Demonstrieren geht: „Das ist schlecht.“ Oder: „Es gibt Corona-Leugner."
Maurice: Mein Name ist Maurice Janich. Ich bin Pädagoge und Visualisierungstherapeut. Ich arbeite mit Kindern und Jugendlichen und ich habe es mir in der Coronazeit zur Aufgabe gemacht, Kindern und Jugendlichen eine Stimme zu geben, ihre Gedanken und Gefühle zum Thema Maske tragen in der Schule zu erfragen. Und heute habe ich die 17-jährige Leyla bei mir. Herzlich willkommen liebe Leyla.
Leyla: Hallo.
Maurice: Leyla, schön, dass du da bist. Wir starten sofort mit der 1. Frage und zwar: Wann musst du denn die Maske in eurer Schule tragen?
Leyla: Nur wenn wir Essen wollen. Sonst muss ich das nicht, weil ich eine Maskenbefreiung habe.
Maurice: Ok, du hast eine Maskenbefreiung. Sehr schön. Die anderen Kinder oder Jugendlichen müssen aber schon eine Maske tragen?
Leyla: Nicht alle. Manche haben auch eine Maskenbefreiung. Aber das sind die untersten Stufen. Ich bin die einzige aus meiner Stufe.
Maurice: Ok. Und wann müssen denn die anderen die Maske tragen? Müssen sie die auch im Unterricht tragen z.B.?
Leyla: Wenn wir über paar Personen sind. Unsere Räume sind verschieden groß. Wir müssen, wenn wir über 15 Personen sind, die Masken tragen. Also die, ich nicht.
Maurice: Und wie oft kommt das vor, dass ihr über 15 Personen seid?
Leyla: Am Anfang ziemlich oft, aber wir haben jetzt die Gruppen aufgeteilt. Jetzt eigentlich nicht mehr.
Maurice: Super. Das finde ich eine ganz gute Maßnahme, die die Schule da getroffen hat.
Leyla, wie ging’s dir denn am Anfang mit der Maske, als du eine getragen hast? Welche Symptome hast du da bei dir feststellen können?
Leyla: Also ich habe sehr schnell Kopfschmerzen bekommen oder mir war auch schwindlig und dann musste ich öfters aus der Bahn aussteigen, dass ich kurz Luft holen kann und weiterfahren kann, die nächste Bahn nehmen kann.
Maurice: Mhm. Ist dir auch schwarz vor Augen geworden oder hast du Sterne gesehen?
Leyla: Nee, das nicht, aber es hat sich halt gedreht. Nicht schwarz, aber es hat sich halt viel gedreht.
Maurice: Ok, verstehe. Jetzt hast du gerade gesagt, wenn du dir etwas zu Essen holst, dann musst du die Maske tragen. Wurde das von der Schule begründet?
Leyla: Mhm. Nein, das war wegen den Bakterien, weil die Kleinen holen sich auch Essen und also nur, wenn ich das Essen annehme, muss ich die tragen sozusagen.
Maurice: Mhm. Aufgrund der Bakterien, wurde gesagt?
Leyla: Ja.
Maurice: Ok, interessant. Wie geht’s dir denn, wenn du die anderen Kinder und Jugendlichen mit der Maske siehst? Welche Gedanken und welche Gefühle, entstehen denn da vielleicht in dir?
Leyla: Also jetzt nicht in meiner Schule, aber meine Freundin hat dasselbe Problem, dass ihr halt in der Bahn schwindlig wird mit der Maske. Sie wollte auch zum Hausarzt gehen, aber die Mutter erlaubt es nicht und sie ist 18.
Maurice: Mhm. Gut, im Grunde genommen, spielt das ja dann keine Rolle was die Mutter sagt, weil, wenn sie 18 ist, darf sie zum Arzt gehen, wenn sie der Meinung ist, sie muss zum Arzt gehen. Wie geht’s dir damit, dass deiner Freundin das seitens der Mutter verwehrt wird?
Leyla: Naja, ich find’s doof, weil sie könnte umkippen und dann ist halt doof, ne?
Maurice: Mhm. Ja, schon ziemlich. Ich meine, es geht ja immerhin um ihre Gesundheit.
Leyla: Ja.
Maurice: Und wie geht’s dir damit, dass du die anderen Menschen mit der Maske siehst? In Bus, Bahn, Gebäuden?
Leyla: Naja, irgendwie finde ich’s komisch, weil es gibt ja auch andere Grippen letztes Jahr und da mussten wir keine Masken tragen. Und jetzt auf einmal müssen wir Masken tragen, obwohl wir letztes Jahr auch ’ne Grippe hatten. Und jetzt heißt es halt nur anders.
Maurice: Mhm. Hast du die Zahlen dazu verglichen, von diesem Jahr und von den letzten Jahren?
Leyla: Ich habe mitbekommen, dass in den anderen Jahren viel mehr Personen gestorben sind als dieses Jahr.
Maurice: Mhm. Ok. Wie informierst du dich bezüglich Corona? Recherchierst du selbst? Guckst du Fernsehen?
Leyla: Also ich recherchiere. Wir kriegen auch viel in der Schule mit, weil das Thema wird eigentlich jeden Tag angesprochen. Und meine Eltern informieren mich und haben mich auch aufgeklärt am Anfang.
Maurice: Mhm. Und recherchierst du dann noch selbständig oder eher nicht?
Leyla: Nein, weil mir wird das Thema langsam… Weil überall wo du hingehst, hört man nur noch Corona, Corona, Corona.
Maurice: Und was wird in der Schule erzählt? Oder gibt es tatsächlich Diskussionsrunden?
Leyla: Ja, viele Diskussionsrunden, weil meine Lehrer sagen, wenn man Demonstrieren geht: „Das ist schlecht.“. Oder: „Es gibt Corona-Leugner.“. Und sie erzählen uns, wir sollen was ändern. Da habe ich letztens gesagt: Wie soll ich denn was ändern?
Maurice: Und was meinen die damit? Was genau soll man verändern?
Leyla: Naja, wir haben jetzt in der Schule Desinfektionszeug. Wir sollen uns öfters die Hände desinfizieren, Hände waschen. Aber das haben wir auch vorher schon gemacht, solche Sachen.
Maurice: Ok, ja. Also ihr sollt euch unbedingt an die Maßnahmen halten, so dass das Virus verschwinden kann und somit sollt ihr was ändern?
Leyla: Ja.
Maurice: Verstehe. Aber es ist ja nicht wirklich eine Diskussionsrunde, wenn Lehrer sich vorne hinstellen und sagen: Diejenigen, die die Maßnahmen nicht befürworten, die dagegen sind, das sind Schwurbler, die sind nicht ganz richtig im Kopf und die Demonstrationen sind auch falsch.
Leyla: Ja.
Maurice: Das sind ja keine Diskussionsrunden.
Leyla: Ja und z.B., wenn die Kinder beim Essen sind und die Maske nicht tragen, dann werden sie direkt angeschnauzt. „Ihr sollt sofort eure Maske aufziehen! Es ist jetzt Pflicht!“.
Maurice: Mhm. Das klingt für mich eher danach, dass, so wie an vielen Schulen, die Kinder unter Druck gesetzt werden.
Leyla: Ja, also, keine Ahnung.
Maurice: Hast du dich mit einigen deiner Mitschüler unterhalten?
Leyla: Nein, weil die sind immer… Jeder hat seine eigene Meinung und manche verstehen dann halt nicht z.B. meine Meinung oder die von jemand anderem. Dann will ich nicht das große Thema… Ich meine Meinung hab’ und die ’ne andere Meinung.
Maurice: Bist du denn ein Mensch, der die Meinungen anderer Menschen akzeptieren kann?
Leyla: Ich akzeptiere sie, aber ich habe meine eigene Meinung.
Maurice: Mhm. Ja, das finde ich auch ganz wichtig, dass jeder seine eigene Meinung hat und, dass man sich dann zusammensetzt und darüber diskutiert.Und wenn Menschen das schon von vorneherein schon verwehren, dann ist das ziemlich kontraproduktiv.
Leyla: Ja, deshalb sage ich am besten gar nichts dazu. Ich höre nur zu und dann kann man auch nichts falsch machen.
Maurice: Ja, ich meine, du kannst ja im Grunde genommen eh nichts falsch machen. Aber vielleicht versuchst du einfach mal, deinen Mitschülern mehr Fragen zu stellen. Dafür brauchst du natürlich auch ein gewisses Spektrum an Wissen. Das bedeutet, du musst dir Wissen aneignen, damit du dementsprechend Fragen stellen kannst, was auf deinem Wissen basiert, damit du dann Informationen geben kannst, wenn sie keine Antworten darauf haben.
Oder, dass du Ansichten, Meinungen, die sie dir präsentieren, widerlegen kannst.
Leyla, du hast mir im Vorgespräch schon gesagt, dass du gern zur Schule gehst. Dennoch die Frage: Würdest du aktuell lieber zu Hause bleiben oder weiter zur Schule gehen?
Leyla: Also ich habe jetzt diese Maskenbefreiung. Jetzt geht’s. Aber bevor ich nicht die Bescheinigung hatte, musste ich halt ’ne Maske tragen. Da bin ich gar nicht gern zur Schule gegangen.
Maurice: Ok, verstehe. Wärst also da lieber zu Hause geblieben?
Leyla: Ja, weil ich das auch nicht verstanden habe. Im Hochsommer mussten wir die Fenster zu lassen, weil die Jungs in der Schule Mist gebaut haben. Und jetzt müssen wir die Fenster aufreißen.
Maurice: Mhm. Ja, das ergibt alles irgendwie nicht so wirklich Sinn.
Leyla: Ja.
Maurice: Leyla, hast du einen Wunsch bezogen auf Corona oder einen allgemeinen Wunsch?
Leyla: Also von Corona wünsche ich mir einfach, dass es wieder lockerer wird, dass man halt wieder normal leben kann, ohne zu sagen: „Ey nein, ich würde mich gern mit dem Freund treffen, aber wir dürfen uns nur zu zweit treffen.“.
Maurice: Leyla, gibt es noch irgendetwas, das ich dich nicht gefragt habe, das du mir gern noch erzählen würdest?
Leyla: Ja, z.B., wenn ich jetzt… Ich wollte zu einem Laden gehen, für eine Freundin ein Geschenk kaufen, habe meine Maskenbefreiung herausgeholt und dann wurde ich direkt von der Kassiererin angeschnauzt:
„Nein, du kannst dich da vorne anstellen, wir bedienen dich!“. Und ich hatte noch eine Notfall-Maske mit dabei, von der Schule her aus und dann bin ich kurz hereingegangen und da hat sie mich direkt angeschnauzt: „Korb nehmen!“. Und ich „Man kann das auch freundlicher sagen.“, aber hat halt nicht funktioniert.
Ich werde viel angemotzt von Leuten, die gar keine Ahnung haben, auch fremde Leute oder Fahrer. Die sagen, ich soll 1,50 Meter Abstand nehmen, obwohl die Bahn brechend voll ist.
Maurice: Ja. Wie gehst du damit um? Wie fühlst du dich dabei?
Leyla: Also ich bleibe freundlich, aber, keine Ahnung, z.B. eine fremde Frau sagt „Maske auf!“ und dann sage ich „Ich habe ein Attest. Ich brauche keine Maske.“ und dann sagt sie „Zeigen Sie mir das Attest mal her!“ und ich „Ich muss Ihnen gar nix nachweisen. Sie sind keine Fahrerin oder eine…“
Maurice: Polizistin oder…
Leyla: Ja und dann… Keine Ahnung. Auf jeden Fall gehen die Leute sehr aggressiv vor.
Maurice: Ja. Die Erfahrung mache ich auch täglich. Ich bin auch ohne Maske unterwegs. Ich kann das nur bestätigen, was du sagst. Und das finde ich SEHR bedenklich.
Liebe Leyla, ich danke dir für deinen Mut und für deine Zeit, dass du heute das Interview hier mit mir geführt hast.
Vielleicht beginnst du trotzdem, dich ein bisschen zu informieren, wie vorhin gesagt, dass du mit Leuten ins Gespräch gehen kannst, dass du ihnen Fragen stellen kannst und, dass du ihnen dein Wissen weitergeben kannst, so dass die auch die Möglichkeit haben, noch mal darüber nachzudenken.
Leyla: Ja.
Maurice: Denn ich glaube, wenn einfach nur alle machen, was alle machen, dann wird sich nichts verändern und genau deswegen gibt es die Demonstrationen, damit sich etwas verändert.
Leyla: Ja.
Maurice: Liebe Leyla, dann wünsche ich dir jetzt erst mal an dieser Stelle alles Liebe und Gute für deine Zukunft und wir sprechen im Anschluss noch mal. Vielen Dank noch mal.
Leyla: Dankeschön.
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